Virtuelle Welten und didaktische Computerspiele an der PH Freiburg

12.09.2024: Das Zentrum für didaktische Computerspielforschung (ZfdC) der Pädagogische Hochschule Freiburg ist eine europaweit einzigartige Bildungs- und Forschungseinrichtung, die sich mit den Potenzialen von spielerischen Elementen digitaler Medien für die Schulpraxis beschäftigt. Dr. Lisa König, Direktorin des Zentrums, gibt in diesem Beitrag Einblick in die Potenziale von VR- und AR-Technologien und konkrete Angebote für Lehramtsstudierende und Lehrkräfte.


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Lebensweltennahen und gleichzeitig zukunftsgerichteten Unterricht zu gestalten, stellt eine der größten, aktuellen Herausforderungen für Lehrkräfte dar: zum einen soll Schule die Lebensrealität ihrer Lernenden aufgreifen und andererseits Zukunftskompetenzen vermitteln, die auf kommende Aufgaben sinnvoll vorbereiten. Zurecht stellt sich hier die Frage: Was bedeutet das, wenn die Lebensrealität in vielen Fällen aus Fortnite und ChatGPT besteht?

Das Zentrum für didaktische Computerspielforschung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg geht eben jener Frage nach und rückt als europaweit einzigartige Forschungs- und Bildungseinrichtung die Potenziale von interaktiven Medien wie Apps, Games, Virtual- und Augmented-Reality aus didaktischer Perspektive in den Mittelpunkt. Für Lehrkräfte, Studierende und Bildungsforschende aus dem gesamten Bundesgebiet formuliert das ZfdC forschungsbasierte Empfehlungen für den Einsatz von spielerischen Anwendungen in unterschiedlichen Fachkontexten und entwickelt Einsatzszenarien, um in den Klassenzimmern von heute schon wie morgen zu unterrichten. Das ZfdC bietet eine Sammlung erprobter Unterrichtskonzepte, didaktisch orientierter Datenbanken sowie ein breites Seminar- und Fortbildungsangebot für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende.

Materialsammlungen und Datenbanken des ZfdC

In den letzten Jahren hat sich der Markt von Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen stark ausdifferenziert und es gibt mittlerweile vielfältige Wege hinein in virtuelle Welten. Doch diese Anwendungen sind nicht per se durch ihre Beschaffenheit als VR- oder AR-Welt für die Vermittlung von Lerninhalten und -zielen geeignet: Vielmehr bedarf es – genauso wie bei allen anderen Lehr- und Lernmedien auch – einer vorherigen didaktischen Analyse, um lernförderliche Potenziale der einzelnen Anwendungen zu erkennen und auch im späteren Vermittlungssetting nutzen zu können. Das ZfdC sortiert für interessierte Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte daher aktuelle Anwendungen vor und beleuchtet diese im Rahmen einer umfangreichen Datenbank aus didaktischer Perspektive. Die Datenbank enthält Empfehlungen zu konkreten Virtual- und Augmented-Reality-Angeboten (siehe Abb. 1). Jeder Eintrag besteht aus einer Kurzbeschreibung zur Anwendung und einem didaktischen Kommentar, in dem konkrete Einsatzszenarien skizziert und Lernziele benannt werden.

Suchergebnisse für spielerische VR-Anwendungen in der Datenbank des ZfdC
Abb.1: Suchergebnisse für spielerische VR-Anwendungen in der Datenbank des ZfdC (Screenshot)

Die AR-VR-Datenbank ist Teil des Projektes „Virtuelles Lernen in der LehrerInnenausbildung“ (ViLa) und beinhaltet vielfältige Anwendungen, die sich für unterschiedliche Altersgruppen eignen oder aber Lernpotenziale für einzelne Themenfelder, Klassenstufen oder Fachbereiche aufweisen. Diese werden im Rahmen der didaktischen Kommentare erläutert und explizit ausgewiesen, sodass eine Einbindung in eigene Vermittlungssettings leicht erfolgen kann: So wird beispielsweise im Rahmen des Datenbankeintrags der VR-Anwendung A Fisherman’s Tale (2019, Vertigo Games) zunächst in der Kurzbeschreibung die märchenhafte Erzählung rund um den namenlosen Fischer und sein Leben in einem verlassenen Leuchtturm skizziert, bevor im didaktischen Kommentar die Potenziale für die Ausprägung literarischer Verstehensprozesse benannt und vor dem Hintergrund lernpsychologischer Referenztheorien erläutert werden (siehe Abb. 2). Bei jedem Datenbankeintrag geht es folglich um:

  • einen Überblick: Worum geht es bei der Anwendung?
  • und die didaktischen Potenziale: Was lernen die Spielenden im Rahmen der Anwendung und warum? Worauf müssen Lehrkräfte achten?

Datenbankeintrags der VR-Anwendung A Fisherman’s Tale
Abb. 2: Datenbankeintrag der VR-Anwendung A Fisherman’s Tale (Screenshot, kommentiert)

Zu vielen VR- und AR-Empfehlungen liegen außerdem Youtube-Videos vor, in welchen Mitglieder des ZfdC die Anwendung vorstellen, anspielen und die jeweiligen Spezifika in knappen zehn Minuten beleuchten, sodass ein schneller Überblick über die Anwendung gewonnen werden kann. Die Videos legen einen Schwerpunkt auf die didaktische Eignung der Titel – so berichten die Mitglieder des ZfdC nicht nur über ihre eigenen Spielerfahrungen sondern diskutieren miteinander, ob sie die Anwendung für geeignet halten, welche Einsatzszenarien denkbar sind, welche Aspekte besonders gelungen sind und worauf man als Lehrkraft achten sollte, bevor man mit VR-Brillen in den Unterricht geht, um den VR- oder AR-Titel selbst zu testen.

Nach einem ähnlichen Konzept ist die Spieledatenbank des ZfdC aufgebaut. Hier findet man didaktische Einordnungen zu Computerspielen, die für unterschiedliche Klassenstufen und Schulfächer geeignet sind.

Austausch zwischen Forschung und Praxis

Das ZfdC verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, sodass nicht nur das Lernen in einzelnen Schulfächern betrachtet wird, sondern Lehr- und Lernprozesse grundlegend untersucht und sowohl fachspezifische als auch fächerübergreifende Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche Altersgruppen erforscht werden. Im Zentrum steht immer die Frage, inwiefern mithilfe von interaktiven Medien wie Games oder VR- und AR-Technologien Lernprozesse unterstützt und Unterricht innoviert werden kann. Die Spannweite der Forschungsprojekte des Zentrums ist daher breit ausgelegt. In der Grundlagenforschung geht es um Fragen wie: Welche Potenziale bietet der Einsatz von Virtual Reality im Unterricht? Welche Gestaltungsstrukturen wirken in welcher Art und Weise lernförderlich oder auch lernhinderlich? Typische anwendungsorientierte Fragestellungen sind z. B.: Wie hilft eine spezifische Anwendung bei der Anbahnung literarischer Verstehensprozesse? Bei der Ausbildung geometrischer Raumvorstellungen? Oder bei der Entwicklung biologischer Konzepte? Die Forschungsergebnisse der Projekte werden in direkt einsetzbare Unterrichtskonzepte überführt, sodass die Schulpraxis von den Erkenntnissen des ZfdC profitieren kann.

Um den Austausch zwischen Forschung und Praxis zu ermöglichen, setzt das ZfdC auf sein Fellowshipnetzwerk, zu dem sowohl Forschende als auch Lehrende des gesamten Bundesgebiets gehören und das eine zentrale Säule der Zentrumsarbeit darstellt. Gemeinsam werden Unterrichtskonzepte entwickelt, in der Schulpraxis erprobt und anschließend vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse reflektiert sowie evaluiert. Interessierte Lehrkräfte können sich jederzeit über das Kontaktformular des ZfdC melden und das Netzwerk anschließend als Austauschplattform und zur Kooperation nutzen.

Darüber hinaus bietet das Zentrum in jedem Semester sowohl für die Studierenden der Pädagogischen Hochschule Freiburg als auch für externe Interessierte vielfältige Workshops, Seminare und Short Lectures an, in welchen VR- und AR-Anwendungen getestet und Szenarien für den eigenen Unterricht im GameLab des ZfdC erprobt werden. Viele der Bildungsangebote – wie beispielsweise die Lunchtime-Lessons des Zentrums, in denen Interessierte in knappen 20 Minuten die Grundlagen zu einem aktuellen Thema der Medienwelt vermittelt bekommen – werden videografiert und auf dem zentrumseigenen Youtube-Kanal veröffentlicht, sodass auch bei größerer räumlicher Distanz zum Zentrum an den Angeboten partizipiert werden kann. Auch ist es möglich, mit Schulklassen das GameLab des ZfdC zu besuchen und innovative Unterrichtskonzepte direkt vor Ort zu erproben. Insbesondere in Bezug auf Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen bietet das ZfdC regelmäßige Spielungen an, in denen Lehramtsstudierende empfohlene Anwendungen ausprobieren und gemeinsam diskutieren können, um eigene Ideen für Unterrichtsszenarien zu entwickeln und diese anschließend an Kooperationsschulen, beispielsweise im Semesterpraktikum, auszuprobieren.

Über aktuelle Angebote informiert das ZfdC auf seiner Homepage.


Über die Autorin

Dr. Lisa König ist Direktorin des Zentrums für didaktische Computerspielforschung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und leitet gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Jan M. Boelmann alle Belange des ZfdC. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte als Literatur- und Mediendidaktikerin liegen u. a. in der Untersuchung medial-literarischer Lernprozesse, der Literaturvermittlung mithilfe interaktiver Medien sowie der empirischen Bildungsforschung.