Augmented Reality im Naturwissenschaftsunterricht

12.09.2024: Augmented Reality gewinnt im naturwissenschaftlichen Unterricht an Bedeutung, indem etwa Experimente erweitert und unsichtbare Prozesse visualisiert werden können. In diesem Videobeitrag bieten Dr. Sabrina Syskowski und Dr. Manuel Krug vom Science-Future-Lab an der Universität Konstanz einen Einblick in die eigenen Labore und erklären Möglichkeiten, Augmented Reality in konkreten Unterrichtsszenarien zu nutzen.


Die im Video anhand von anschaulichen Beispielen dargestellten drei Formen des Einsatzes von Augmented Reality (AR) in den Naturwissenschaften, haben die Autorinnen und Autoren im folgenden Kurztext noch einmal grundlegend für Sie zusammengefasst. Es folgen kurze Erklärungen zum Science-Future-Lab der AG Huwer sowie zu den Autorinnen und Autoren. Abschließend finden Sie ein paar weiterführende Literaturhinweise.

Überblick zu Formen des AR-Einsatzes in den Naturwissenschaften

Seit einigen Jahren sind im Bereich Augmented Reality Autorentools verfügbar, die es ermöglichen, ohne umfangreiche Programmierkenntnisse Anwendungen für den Bildungsbereich zu gestalten. Hiermit eröffnen sich auch für den Naturwissenschaftsunterricht zahlreiche neue Möglichkeiten.

In der fachdidaktischen Forschung für die Fächer Chemie, Biologie und Physik werden AR-Anwendungen eine zunehmend große Bedeutung zugeschrieben. Dies zeigt sich durch die beinahe exponentiell ansteigende Anzahl unterrichtsrelevanter Beiträge in einschlägigen Fachzeitschriften, wie z. B. dem Journal of Chemical Education, innerhalb der letzten Jahre.

Augmented Reality lässt sich als eine Kombination realer und virtueller Inhalte definieren, bei der die reale Umgebung durch digitale Inhalte ergänzt bzw. erweitert („augmentiert“) wird. Im Naturwissenschaftsunterricht wird Augmented Reality vornehmlich in drei Bereichen eingesetzt:

1. Anreicherung von Experimenten

Durch digitale Informationen wird das Experiment erweitert, wobei die Art der Informationen und der Grad der immersiven Verschmelzung von digitaler Information und Realität stark variieren kann. Dies kann von einer digitalen Beschriftung über zusätzliche Informationen in Form von Videos, Texten oder Sounddateien bis hin zur kompletten Substitution des gesamten Experiments reichen. Diese Variante kann z. B. aufgrund von Sicherheitsvorschriften oder mangelnder Laborausstattung sinnvoll sein. Durch die dreidimensionalen Darstellungs- und Interaktivitätsmöglichkeiten wird hier ein immersiveres Lernerlebnis als bei reinen Bildschirmexperimenten möglich.

2. Visualisierung der Teilchenebene

Beobachtungen in der Natur bzw. bei Experimenten werden häufig auf der sogenannten Teilchenebene – der Ebene von Atomen und Molekülen – gedeutet und erklärt. Diese Prozesse sind jedoch mit bloßem Auge nicht sichtbar, sodass auf Modelle zurückgegriffen wird, welche in der Regel entweder mentaler und/oder statischer Natur sind. Mit Hilfe von AR können diese Vorgänge dynamisch und dreidimensional „erfahrbar“ gemacht werden. Beispiele hierfür lassen sich in drei Bereiche einteilen: erstens die Darstellung von kleinsten und visuell nicht erfassbaren Dingen, wie bspw. chemische Prozesse, Strahlung oder submikroskopische Strukturen, zweitens sehr große Objekte wie Galaxien, Sonnensystem oder Planeten, und drittens die Darstellung sogenannter Blackboxprozesse – Prozesse, die von außen kaum oder nur sehr schwer betrachtet werden können, weil sie z. B. in Hochöfen, Atomreaktoren oder auch schlicht teuren Elektrogeräte stattfinden.

3. Anreicherung von papierbasiertem Lernen

Die Unterstützung von papierbasiertem Lernen beschäftigt sich mit der digitalen Anreicherung von (meist analogen) Arbeitsblättern, Büchern oder anderen Printmedien. AR-Anwendungen erweitern diese analogen Medien um zusätzliche Hilfestellungen − Filme, Texte, 3D-Modelle usw. Damit können sie sowohl das Verständnis bestimmter Inhalte als auch das selbstregulierte Lernen fördern. Ein möglicher Einsatzzweck ist die Bereitstellung von gestuften Materialien, um die nötige Differenzierung für Lernende mit bestimmten Förderbedarfen zu ermöglichen.


Über das Science-Future-Lab der AG Huwer 

Die von Prof. Dr. Johannes Huwer an der Universität Konstanz geleitete Arbeitsgruppe forscht an Bildungsprozessen mit Zukunftstechnologien (Augmented Reality, Virtual Reality, informatische Kompetenzen sowie Künstliche Intelligenz) in den Unterrichtsfächern Chemie, Physik und Biologie. Und sie bildet Lehrkräfte sowohl im Studium als auch in der Weiterbildung in Bezug auf digitale Basiskompetenzen nach DiKoLAN aus.

Im Science-Future-Lab werden Zukunftstechnologien für Schülerinnen und Schüler erfahrbar gemacht. Es handelt sich um ein naturwissenschaftliches Labor, welches Schulklassen besuchen können, um dort zu experimentieren. Die Schülerinnen und Schüler werden individuell von Lehramtsstudierenden und dem Team der AG Huwer betreut. Sie gewinnen einen Einblick in Funktionsweisen, Einsatz und Anwendungsgebiete von Technologien wie generative Künstliche Intelligenz, Augmented Reality und Virtual Reality sowie Mikrokontrollern zum Experimentieren. Das Science-Future-Lab ist außerdem mit iPads, Laptops, 3D-Drucker, Lasercutter, Podcast-Studios und weiteren Materialien für das kreative Arbeiten ausgestattet. Gefördert wird das Labor von der Vector Stiftung.

Logo Kompetenzzentrum MINT

Im Projekt MINT-ProNeD ist das Science-Future-Lab der zentrale Ort, an dem Fortbildungen durchgeführt werden und an den Lehrpersonen mit Schulklassen kommen und Lehr-/Lernkonzepte selbst ausprobieren können.


Über die Autorinnen und Autoren

Mathea Brückner ist Doktorandin und Mitarbeiterin der AG Huwer und promoviert über die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen im Bereich Assessment, Feedback und Adpativität des DiKoLAN Kompetenzrahmens. Dabei werden insbesondere Zukunftstechnologien in den Blick genommen.

Prof. Dr. Johannes Huwer ist Inhaber der Professur für Fachdidaktik der Naturwissenschaften an der Universität Konstanz und der PH Thurgau. Er forscht seit einigen Jahren in den Bereichen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeitsbildung im Chemieunterricht. Im Bereich der Digitalisierung besteht ein besonderes Forschungsinteresse in der adaptiven und immersiven Gestaltung von Lehr-Lernprozessen mit Zukunftstechnologien (Künstliche Intelligenz, Augmented Reality, Data Literacy, Robotic Labs). Dabei steht nicht nur das Lernen mit, sondern vor allem das Lernen über Zukunftstechnologien im fachwissenschaftlichen Kontext im Vordergrund. Diese Schwerpunkte bilden sich auch in der Professionalisierungsforschung von Lehrkräften (DiKoLAN/DPACK) ab. Seit 2019 leitet Johannes Huwer die AG Digitalisierung im Chemieunterricht (GDCH-ChU).

Dr. Manuel Krug ist ehemaliger Mitarbeiter der AG Huwer und hat im Bereich der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik promoviert. Während seiner Zeit in der AG Huwer konzentrierte er sich insbesondere auf die Digitalisierung des naturwissenschaftlichen Unterrichts – vor allem in den Bereichen Augmented Reality, Nachhaltigkeitsbildung und dem Einsatz von Spielelementen im Bildungskontext.

Philipp Pawels ist Doktorand und Mitarbeiter der AG Huwer und promoviert über die Förderung und Messung von digitalen Kompetenzen von Lehrkräften nach DiKoLAN in Deutschland und in der Schweiz.

Dr. Sabrina Syskowski ist Postdoc in der Naturwissenschaftsdidaktik mit dem Schwerpunkt Lehren und Lernen mit digitalen Medien an der Universität Konstanz. Zu ihren fachlichen Schwerpunkten gehören unter anderem experimentelle Lehr- und Lernprozesse mit Augmented Reality.

Sandra Wilfinger ist Doktorandin und Mitarbeiterin der AG Huwer und promoviert über die Konzeption eines digitalen Schülerlabors zu Fragestellungen der Nachhaltigkeit (Sustainable Development Goals). Sie konzentriert sich dabei u. a. auch auf die Rolle von Podcasts in informellen Lernräumen


Weiterführende Literatur zum Nachlesen

  • Czok, V., Krug, M., Müller, S., Huwer, J., Kruse, S., Müller, W. & Weitzel, H. (2023). A Framework for Analysis and Development of Augmented Reality Applications in Science and Engineering Teaching. education sciences,13(9), 926. https://doi.org/10.1002/ckon.202100009

  • Krug, M., Czok, V., Müller, S., Weitzel, H., Huwer, J., Kruse, S. & Müller, W. (2022). Ein Bewertungsraster für Augmented-Reality-Lehr-Lernszenarien im Unterricht. ChemKon, 29(S1), 312-318. https://doi.org/10.1002/ckon.202200016

  • Tschiersch, A., Krug, M., Huwer, J. & Banerji, A. (2021). ARbeiten mit erweiterter Realität im Chemieunterricht – ein Überblick über Augmented Reality in naturwissenschaftlichen Lehr-Lernszenarien. ChemKon, 28(6), 241-244. https://doi.org/10.1002/ckon.202100009